Anatole Ak studierte Germanistik und Philosophie in Wien, ehe er von 1976 bis 1980 am Mozarteum in Salzburg eine Ausbildung zum Künstler erhielt. Unter dem Titel Block out, einem Begriff aus der Serigrafie, führte er in den frühen 1980er-Jahren Performances auf. Es ging dabei um Körperübermalungen, die auf einem Videomonitor liefen und die er gleichzeitig vor Publikum darbot. Sie waren zeitlich getaktet und hatten die  Verfremdung der Realität sowie die Auseinandersetzung mit der Medienrealität zum Inhalt. Diese Performances fanden u. a. in Mannheim (1980, 1982), Würzburg (1980) und Linz (1984) statt. 
Aks Hauptinteresse gilt jedoch eindeutig der großformatigen Malerei und der Zeichnung, die er ebenfalls seit den frühen 1980er-Jahren betreibt. Er arbeitet nach und nach an geschlossenen Werkserien, die meist poetische Titel tragen: Zeichenwetter, Associative Identity, Zwischen Welt, Unknown Areas, Lochmind … Dabei kommt dem Künstler seine große Sprachaffinität zugute. Vom Sprechtheater fasziniert, leitet er seit vielen Jahren eine Schultheatergruppe. Die großformatigen Gemälde von Anatole Ak sind eine vielschichtige künstlerische Auseinandersetzung mit Ideen, Vorstellungen und inneren Bildern. Der Entstehungsprozess mancher Serien erstreckt sich über mehrere Monate. Dabei dringen immer wieder neue sprachliche Formulierungen in sein Bewusstsein, Sätze aus dem Alltag, aus den Medien, Einsprengsel poetischer Art, für die er bildnerische Pendants sucht.
Manche zeichnerischen Kürzel lässt er so stehen, wie sie sich im Entstehungsprozess ergeben. Es sind gefundene Formen.
In seiner Arbeit schafft Ak zunächst die Matrix aus verschiedenen Farbschichten, den Urgrund, aus dem sich die Komposition entwickeln kann. Die dominante Farboberfläche kann blau, grün, ocker, rot oder schwarz sein. Mehrere anders getönte Farbschichten können darunter liegen. Im Entstehungsprozess der Arbeiten legt er die tiefer liegenden Malschichten partiell frei. „Ich weiß nicht, ob was aufgeht“, sagt der Künstler, wenn er dorthin vordringt. Das Graben in Gemälden kann wie eine Offenbarung sein. Das Bild erhält dadurch eine gewisse Geschichtlichkeit, eine archäologisch-zeitende Dimension. In die Farbräume fügt er grafische Zeichenkürzel mit dünnen Linien ein. Lineare Gebilde können aber auch durch Abdecken mit dem Klebeband entstehen. Sie zeigen sich dann als „anonymisierte Linien“, wie Ak dies nennt. Die anonymisierte Linie ist jene, die geometrisch anmutet. Sie trägt ihren Teil zu einem fein ausgewogenen Gleichgewicht bei, in dem Logik und Gefühl in Balance gehalten werden sollen. Nach und nach entstehen sodann mit grafischen Zeichen durchsetzte Farbräume, die Assoziationen im Betrachtenden evozieren können. Als Lehrer für bildnerische Erziehung, der Anatole Ak auch ist, sagt er: „Manchmal sehe ich in den Kinderzeichnungen mehr als die Kinder selbst.“ In Anlehnung an den Ausspruch von Pablo Picasso „Ich suche nicht, ich finde“ findet Anatole Ak manchmal Chiffren in seinen eigenen Kreationen, die ihn selbst das Staunen lehren können.
Mythische Schöpferkraft, das Dionysische versus das leicht Tänzerische, das Apollinische
Das Erdhaft-Schwere, die Gravità, wird benötigt, um das Neue auf die Erde zu bringen. Das Dionysische, die Farbmaterie, stimmt den Grundton eines Gemäldes an. Die Zeichnung setzt sich über das barock-rauschhafte Farbendrama mit seinen Farbschlieren und -verkrustungen hinweg. Sie lässt aus der zähen Farbmaterie ein Schiff, einen Vogel, eine Krake, eine Weggabelung, ein Krähenkopf emporsteigen. Die Zeichnung ist leichtfüßig und behänd. Sie ist die spielerische Einritzung in die Haut der Leinwand. Sie kümmert sich nicht darum, wie viele Farbschichten schon auf der Leinwand lasten. Die Zeichnung will nur erzählen, und dazu braucht sie die Matrix des Farbgrundes. Die Poesie der Zeichnung, das ist das Apollinische. Das Apollinisch-Tänzerische konkurriert mit dionysischer Erdenlast. Es ist ein Wettkampf, der allerdings auf gegenseitiges Sich-Bedingen aufgebaut ist. So sind das Dionysische und das Apollinische zwei divergente Strategien künstlerischen Ausdrucks. Gleich einem bipolaren Prinzip repräsentieren sie Gefühl und Verstand, das geistige und das materielle Prinzip in der Malerei Anatole Aks.
Terribilità
Der Ausdruck Terribilità lässt sich nicht ins Deutsche übersetzen. Er wird mit der schöpferischen Urgewalt des italienischen Künstlers Michelangelo Buonarroti (1475–1564) in Zusammenhang gebracht. In unserem Kontext, in der Betrachtung von Werken Anatole Aks, meint Terribilità das innere Ringen, den Kampf des Künstlers mit sich selbst, mit der Leinwand, mit seinen Vorstellungen, und mit dem, was sich davon umsetzen lässt und was sich andererseits wieder verflüchtigt und nicht Eingang in das künstlerische Werk findet. Kunstwerke zu erschaffen bedeutet mitunter, an die Grenzen des Machbaren zu stoßen, denn das Neue, das noch nie Dagewesene, will erst erschaffen werden. Es liegt jenseits aller bekannten Vorstellungen. Die Leinwand nimmt dabei die Rolle des Widerparts ein. Sie ist das Alter Ego des Künstlers. Anatole Ak begegnet ihr mit großer Ambivalenz: mit Terribilità und einem beinahe schon unglaublichen Feinsinn. Auf diese Art und Weise werden seine inneren Bilder in sichtbare Äquivalente umgesetzt.
Das Gemälde als künstlerischer Ausdruck eines inneren Bildes, in dem die Imagination die Hauptrolle spielt
Es ist ein Vorrecht des Künstlers, Pionier in seiner Sache zu sein: sei es gedanklich in fremde Kosmologien einzutauchen, geheimnisvolle Tiefseewelten mit den Mitteln der Imagination zu ergründen oder gar in das Chthonische des Erdinneren vorzudringen. Was hält die Welt in ihrem Innersten zusammen? Aks Gemälde sind voller Inspirationen, die unsere Imagination beflügeln können. Sie sind dichte Bildwerke, die sowohl den Künstler als auch die Betrachtenden lange Zeit in den Bann ziehen können.
Den rezenten Gemäldezyklus bezeichnet er lapidar als Search. Er widmet ihn dem Flüchtlingsstrom, der seit einiger Zeit nach Europa kommt, an unseren tradierten Einstellungen nagt und uns zum Hinterfragen unser Positionierungen aufruft. Bei genauer Betrachtung der Gemälde finden sich in ihnen auch bildnerische Kürzel, die man mit dieser Thematik in Zusammenhang bringen kann: Boote voller Menschen, Grenzen, die Menschen voneinander trennen, Tische, an denen Quoten ausverhandelt werden.
Das Licht spielt in einigen Werken dieser Gemäldeserie eine große Rolle. Man findet interne und externe Lichtquellen: Externe legen sich über die gesamte Leinwand, ohne dass sie selbst in Erscheinung treten. Sie sind in sich lichthaltige Farbschichten, wie Orange, Gelb, Grün; bildinterne Lichtquellen funkeln partiell wie ferne Sterne. Bisweilen könnten es aber auch gefährliche Irrlichter sein, die die Bildstimmung aufheizen. Es ist dann so, als ginge man durch einen dunklen Wald. Ein Licht lockt uns verheißungsvoll. Wir folgen dem Widerschein und landen in mythischen Parallelwelten. In die Sprache der Poesie übersetzt, können wir dazu vielleicht eine Parallele in Gerhard Amanshausers Terrassenbuch finden:
„Offenbar ist die Milchstraße ein Gewächs. Man blickt in Sternkulturen hinauf, in lebende Stöcke, die den Raum durchwachsen. Zu sehen sind nur die Energiequellen, die großen Heizsonnen, die sicher nicht umsonst ihre Tonnen von Energie verschleudern. Entsetzliche Leere? Vermutlich nur im Gehirn. Der Raum ist durchwachsen und durchstrahlt. Es herrscht die gleiche verschwenderische Fülle, die wir im Garten haben, wenn die Samen fliegen.“[1]
Seine Gemälde betrachtet er als Reisen, seine Grafiken als Ausflüge
Bei Aks Papierarbeiten handelt es sich um Collagen und Monotypien, und Letztere werden von der Rückseite her gezeichnet. Die rote Farbe in den Grafiken stammt aus Norwegen. Es ist jene Anstrichfarbe, die in jenem Land als Hauslackierung verwendet wird. Die Grafiken entstehen auf Büttenpapier und werden in Serie erarbeitet. Eine Serie von Grafiken setzt sich so zum Beispiel mit dem Teppich von Bayeux auseinander. Wie ebenjener unterteilt der Künstler auch seine Grafiken in mehrere bildflächenparallele Streifen. Während das Hauptfeld mehr einen Zustand – jenen der Schlacht – repräsentiert, erzählt er im oberen Streifen Details: von jenen Booten, die den französischen Heimatboden verließen, mit der Absicht die Engländer zu besiegen. Die Atmosphäre ist blutgetränkt. Der Kampf kehrte 1944 zurück.
Reisen und Ausflüge – und über allem die Frage: Kann und darf man heute noch malen? Darf man das in Zeiten der virtuellen Realität und des digitalen Overflows? Anatole Aks Gemälde faszinieren durch eine Kombination aus gezielten Setzungen, gesteuerten Zufällen sowie einem untrüglichen Gespür für Harmonie und Balance im Kompositionellen. Sie sind Ausdruck verdichteter Erfahrungen, erinnerter Gefühle und ahnungsvoller Wahrnehmungen. Die Werke können als Reaktionen darauf verstanden werden, was der Künstler seismografisch im täglich Erlebten wahrnimmt. Sie sind evokativ und assoziativ. Sie haben die visionäre Kraft des Schöpferischen. Sie repräsentieren etwas Abwesendes, und gleichzeitig sind sie fein austarierte Kompositionen auf der Leinwand mit einem sensiblen Gespür für Balance. Illusion und Realität in einem – ein Paralleluniversum auf der Bühne dieser Welt.

[1] Gerhard Amanshauser, Terrassenbuch. Hg. v. Hans Höller. Weitra o. J., S. 50.

You may also like

Back to Top